Jahrespresseerklärung des Sozialgerichts Konstanz

Datum: 11.03.2024

Kurzbeschreibung: Rückblick auf das Jahr 2023 am Sozialgericht Konstanz

Jahrespresseerklärung zum Rückblick auf das Jahr 2023 am Sozialgericht Konstanz

 

Das Sozialgericht Konstanz entscheidet über Angelegenheiten der Sozialversicherung, des Bürgergeldes, der Sozialhilfe, des sozialen Entschädigungsrechts, des Schwerbehindertenrechts und weiterer Rechtsgebiete. Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Konstanz erstreckt sich über die Landkreise Konstanz, Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis. 

Die weitaus meisten Verfahren werden beim Sozialgericht Konstanz elektronisch geführt. Die elektronische Gerichtsakte wurde am 04.02.2020 bei dem Gericht eingeführt. Seit Beginn der Corona-Pandemie werden die Gerichtsverhandlungen in geeigneten Fällen vermehrt als Videokonferenz durchgeführt. 

Im Jahr 2023 sind 1916 Klagen und 137 Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Konstanz eingegangen. Damit lag die Arbeitsbelastung hinsichtlich der neu eingegangenen Verfahren in etwa bei der im Jahr 2022, war allerdings pro Richter-Arbeitskraftanteil (Richter-AKA) wegen Personaländerungen um 8,7 % höher als 2022.  

Trotz dieser Belastung mit neu eingegangenen Verfahren konnte der Bestand an anhängigen Verfahren abgebaut werden. Die Anzahl abgeschlossener Verfahren (Klagen und Eilanträge) haben sich im Jahr 2023 insgesamt um 4,1 % und pro Richter-AKA um 13,1 % erhöht. Erstmals seit vielen Jahren beträgt der Gesamtbestand des Gerichts weniger als 2000 Verfahren. Auch der Bestand pro Richter-AKA ist um 4,3 % gesunken.  

Bei der Betrachtung der Eingangszahlen bezogen auf die einzelnen Fachgebiete fällt Folgendes auf: 

Eine deutliche Steigerung gegenüber dem Jahr 2022 ist in den Bereichen Pflegeversicherung, Bürgergeld und im Bereich des Versorgungs- und Entschädigungsrechts sowie eine leichte Steigerung im Bereich der Krankenversicherung, der Streitigkeiten nach dem SGB XII (Sozialhilfe) und bei den Verfahren zur Feststellung einer Behinderung zu verzeichnen. Im Bereich der Rentenversicherung sind die Eingänge zurückgegangen.  

Über die Gründe lässt sich weitgehend nur mutmaßen – in vielen Bereichen gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Schwankungen. Im Bereich Pflegeversicherung könnte der Anstieg mit neuen Rechtsfragen nach der Einführung von fünf Pflegegraden statt drei Pflegestufen zum 01.01.2017 zusammenhängen. Die im Bereich des Versorgungs- und Entschädigungsrechts erhebliche Steigerung (nahezu Verdoppelung) lässt sich vor allem mit einer Zunahme an Verfahren zur Frage von Impfschäden nach einer Corona-Impfung erklären. Zu dieser Frage sind 12 Verfahren allein im Jahr 2023 eingegangen, etwa ein Drittel der gesamten Eingänge im Versorgungs- und Entschädigungsrecht. 

Insgesamt haben die Streitigkeiten mit Bezug zur Corona-Pandemie zugenommen. Diese Verfahren nehmen zwar zahlenmäßig im Verhältnis zu den insgesamt eingehenden Verfahren keinen großen Umfang ein, sind aber inhaltlich komplex. Neben der Frage von Impfschäden sind vor allem Fragen aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zu entscheiden. Zum einen stellt sich die Frage, ob eine Corona-Infektion als Arbeitsunfall anzuerkennen ist (im Regelfall ist das Hauptproblem ein Nachweis der Infektion am Arbeitsplatz). Zum anderen sind in einer zunehmenden Anzahl von Verfahren bei anerkannter Corona-Infektion als Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit die gesundheitlichen Folgen („Long Covid“) zu klären. Die Schwierigkeiten hier liegen insbesondere in einer noch nicht abgeschlossenen medizinischen Diskussion. Bei „Long Covid“ geht es um „eine Vielfalt körperlicher, kognitiver und psychischer Symptome, welche die Funktionsfähigkeit im Alltag und Lebensqualität negativ beeinflussen“ (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html 

Hingewiesen werden soll in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung der 1. Kammer des Sozialgerichts Konstanz vom 08.02.2024 – S 1 U 1682/23. Eine Altenpflegerin hatte sich am Arbeitsplatz mit dem SARS-CoV-2-Corona-Virus infiziert. Die Berufsgenossenschaft hatte zwar eine Berufskrankheit anerkannt, nicht aber verschiedene Symptome eines von ihr geltend gemachten Long-/Post-COVID-Syndroms. Das Sozialgericht Konstanz hat die Entscheidung der Berufsgenossenschaft aufgehoben. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Corona-Virus und den fortdauernden Gesundheitsbeeinträchtigungen im Sinne eines Long-/Post-Covid-Syndroms sei möglich. Diese Beeinträchtigungen könnten grundsätzlich Folge der Berufskrankheit sein. Um entsprechende Kriterien für die Klärung dieser Frage zu entwickeln, bedürfe es medizinischer Sachkunde. Die beklagte Berufsgenossenschaft sei angesichts der Vielzahl von Verfahren besonders geeignet, die entsprechenden Informationen zusammenzuführen und auf medizinisch-wissenschaftlicher Grundlage eine sachgerechte Beurteilung vorzunehmen. Sie habe im konkreten Fall durch ein medizinisches Sachverständigengutachten die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin und die Frage der Kausalität aufzuklären.

Die Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank „Juris“ und unter https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/ veröffentlicht. 

Ergänzend soll ein Informationsangebot des Landes Baden-Württemberg erwähnt werden, der neue „Bürgerservice BW“ ( https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/search ), der eine Datenbank zu Rechtsprechung und Rechts- und Verwaltungsvorschriften enthält.

Pressesprecherin am SG Meike Ebert, Direktor des SG Professor Dr. Steffen Roller

Pressesprecherin am SG Meike Ebert, Direktor des SG Professor Dr. Steffen Roller

 

Bei Rückfragen: Pressereferentin Richterin am Sozialgericht (sV) Meike Ebert; Tel.: 07531/207-115; Verwaltungsleiterin Gabriele Volk, Tel.: 07531/207-126





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