Unfallversicherungsschutz besteht auch bei von der Arbeitsagentur veranlasstem Bewerbungsgespräch

Datum: 08.12.2014

Kurzbeschreibung: Arbeitslose, die sich nach einem Vermittlungsvorschlag der Arbeitsagentur bewerben, sind auf dem Weg zu und von dem Bewerbungsgespräch gesetzlich unfallversichert.

 

Die 1971 geborene Kläger aus Friedrichshafen bezog Arbeitslosengeld I. Die Agentur für Arbeit übermittelte ihm einen schriftlichen Vermittlungsvorschlag als Bauhelfer. Auf dem Rückweg von dem Vorstellungsgespräch mit dem Fahrrad stieß er mit einem PKW zusammen und zog sich schwerste Hirnverletzungen zu. Mittlerweile ist er pflegebedürftig (Pflegestufe III) und lebt in einem Pflegeheim. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger sei keiner an ihn im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Arbeitsagentur gefolgt, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, als er verunglückte.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht Konstanz hat in seinem heute veröffentlichten Urteil entschieden, dass die Aufforderung der Arbeitsagentur in dem Vermittlungsvorschlag nicht nur die Bewerbung, sondern auch das darauf folgende Vorstellungsgespräch umfasst. Zwar gilt das nicht für sämtliche denkbaren Kontakte zwischen Bewerber und möglichem Arbeitgeber. Allerdings sind die erste Kontaktaufnahme und das daran unmittelbar anschließende Vorstandsgespräch eng miteinander verbunden. Mit der Bewerbung kann nicht viel mehr abgeklärt werden, als der Umstand, ob die Stelle noch frei ist und der Bewerber dafür grundsätzlich in Frage kommt. Das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses setzt typischerweise ein daran anschließendes, zumindest kurzes persönliches Gespräch zwischen Bewerber und möglichem Arbeitgeber voraus. Von daher konnte der Kläger davon ausgehen, dass die Arbeitsagentur von ihm erwartete, dass er eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, die auf die Bewerbung folgt, auch wahrnimmt.
 
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die unterlegene Berufsgenossenschaft kann gegen das Urteil noch Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg einlegen.
 
(SG Konstanz, Urteil vom 26. November 2014, Aktz. S 11 U 1929/14; veröffentlicht in www.juris.de und www.sozialgerichtsbarkeit.de)
 
 
Hintergrundinformation
 
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind in der Unfallversicherung kraft Gesetzes Personen versichert, die nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und Dritten Buches Sozialgesetzbuch der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen.
 
Der Unfallversicherungsschutz nach Aufforderung der Arbeitsagentur, sich zu bewerben, führt immer wieder zu schwierigen Grenzfällen. Für die Aufforderung, sich bei einem möglichen Arbeitgeber vorzustellen, hat das Bundessozialgericht bereits entschieden, dass der Unfallversicherungsschutz nicht schon nach der „ersten“ Vorstellung abgeschlossen ist, wenn am Folgetag ein weiteres Gespräch vereinbart wird, in dem der Arbeitslose seine Entscheidung, das Arbeitsangebot anzunehmen, mitteilen will (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 1980, 2 RU 103/79, SozR 2200 § 539 Nr. 70). Hingegen steht ein Meldepflichtiger auf dem Weg zu der von der Arbeitsagentur vermittelten potentiellen Arbeitsstelle zwecks Vorlage/Nachreichen der fehlenden Bescheinigung der Kindergeldkasse nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 12. Mai 2009, B 2 U 8/08 R, juris). Derjenige, der sich ohne eine Aufforderung selbstständig, auf eigene Initiative hin, bei einer Stelle vorstellt, ist ebenfalls nicht versichert (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2003, B 2 U 45/02 R, juris).
 
Bei Rückfragen: Pressereferent: stVDir Dr. Steffen Roller; Tel.: 07531/207-147; Verwaltungsleiterin Anette Degenhart-Schmidt, Tel.: 07531/207-126

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