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Medieninformation des Sozialgerichts Freiburg 2025
Das Sozialgericht Freiburg ist eines von acht erstinstanzlichen Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Land Baden-Württemberg. Es ist für den Stadtkreis Freiburg sowie die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen, Lörrach, Ortenau und Waldshut zuständig. Das Gericht bearbeitet Verfahren aus dem Sozialversicherungs-, Förderungs-, Fürsorge- und Teilhabe- sowie dem sozialen Entschädigungsrecht.
Am Gericht sind aktuell 17 Richterinnen und Richter, davon acht in Teilzeit, tätig. Ein weiterer Kollege befindet sich derzeit in der Erprobungsabordnung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) und wird im Herbst zurückkehren. Am Ende des vergangenen Jahres und zu Beginn des laufenden haben sich 3 Richterinnen und Richter des Gerichts erfolgreich auf Stellen beim LSG beworben. Die Arbeit wird zudem von weiteren 26 Mitarbeitenden gestemmt. Diese bearbeiten weit überwiegend in den Geschäftsstellen die Verfahrensakten, welche nunmehr nahezu ausschließlich elektronisch geführt werden (eAkte). Andere nehmen in der Rechtsantragstelle Klagen und sonstige Gesuche von Rechtschutzsuchenden auf. Kostenbeamtinnen und -beamte rechnen die Vergütungen von Sachverständigen, Zeuginnen und Zeugen, ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern sowie beigeordneten Rechtsanwältinnen und -anwälten ab. Zwei Personen sind in der Poststelle tätig, unter anderem scannen sie eingehende Dokumente für die eAkte, die im Gericht Anfang Dezember 2019 eingeführt wurde.
In den mündlichen Verhandlungen wirken jeweils zwei ehrenamtliche Richterinnen und Richter aus der Mitte der Bevölkerung mit. Aktuell sind beim Sozialgericht Freiburg 157 Personen in dieser Funktion tätig, davon 64 Frauen und 93 Männer. Sie werden jeweils für bestimmte Bereiche
(Sozialversicherung, soziales Entschädigungsrecht, Sozialhilfe) aus Vorschlagslisten verschiedener Stellen, insbesondere von Gewerkschaften sowie Arbeitgeber- und Sozialverbänden, vom Landesversorgungsamt und den Kreisen für fünf Jahre berufen. Die Amtszeit kann mehrfach verlängert werden.
2024 sind beim Sozialgericht Freiburg 3.362 Verfahren anhängig geworden, davon 2.949 Klagen und 413 Anträge auf einstweiligen Rechtschutz (Eilrechtsschutz). Das hält sich auf dem Niveau des Vorjahres. Der Hauptanteil der Verfahren betraf mit 21 % das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Die Laufzeit der Verfahren ist erfreulich kurz. Klageverfahren werden im Durchschnitt innerhalb von 12,3 Monaten abgeschlossen. Verfahren, die medizinische Ermittlungen in Form von Arztauskünften und Begutachtungen erfordern, dauern länger, andere sind hingegen zum Teil in weniger als
einem halben Jahr beendet. Rechtsstreitigkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes sind in der Regel innerhalb weniger Wochen abgeschlossen. Bei der Anzahl der laufenden Verfahren je Richterin und Richter belegt das Sozialgericht Freiburg in der Sozialgerichtsbarkeit Baden-Württemberg eine gute Position.
COVID-19 bewirkte eine Neuorganisation von Arbeitsprozessen. Speziell für das Homeoffice der Beschäftigten gilt eine so genannte „Zwei-Fünftel-Regelung“. Wer an 5 Tagen in der Woche arbeitet, kann davon bis zu 2 Tage von der Ferne aus arbeiten. Gleichwohl muss jede Serviceeinheit, die aus bis zu fünf Personen besteht, an jedem Werktag mit mindestens einer Arbeitskraft vor Ort besetzt sein, was gut gelingt. Zur Unterstützung des gegenseitigen Austausches findet unter anderem regelmäßig ein Jour fixe an wechselnden Wochentagen statt. Es wird sich zeigen, ob der Weg mittelfristig auch in Richtung der Arbeitsmodelle „Jobsharing“ oder „Remote Work“ beschritten wird.
In den anhängigen Verfahren, bei denen aufgrund einer SARS-CoV-2-lnfektion oder der Impfung gegen das Virus Sozialleistungsansprüche, insbesondere wegen Post- oder Long-Covid, geltend gemacht werden, stellt sich zunehmend die Frage, ob es mittlerweile nicht nur Studien, sondern einen medizinischen Erkenntnisstand gibt, aufgrund dessen der Ursachenzusammenhang bejaht werden kann. Hauptsächlich betroffen sind das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung und das soziale Entschädigungsrecht. Bezogen auf das erste Teilrechtsgebiet sind bislang mehr als 40 Verfahren anhängig gewesen, wovon ein Fünftel die Feststellung eines Versicherungsfalls betroffen haben, demgegenüber 80 % konkrete Leistungen wie eine Rente wegen eines anerkannten Arbeitsunfalls oder einer festgestellten Berufskrankheit. Beim zweiten Teilbereich ist es vorrangig um die Anerkennung von Impfschäden gegangen.
Künstliche Intelligenz (KI)-Technologie birgt große Chancen. Ein verantwortungsvoller Umgang durch die Richterinnen und Richter setzt insbesondere ein allgemeines Verständnis über die dahinterstehende Technologie wie auch Kenntnis über die potentiellen Risiken und die bei der Nutzung von KI zu beachtenden Rechtspflichten voraus. Das Sozialgericht Freiburg startet ein KI-Projekt mit dem Ziel, die kostenrechtliche Vorprüfung durch ein solches System vornehmen zu lassen. Wie auch bei Urteilen trifft letztendlich aber ein Mensch die Entscheidung.
Bei all den Herausforderungen ist den Bediensteten des Sozialgerichts Freiburg ein überaus großer Dank auszusprechen. Alle haben sich in bemerkenswerter Weise engagiert, weshalb das Sozialgericht Freiburg durchgehend effektiven Rechtsschutz gewährt hat.
Eine Auswahl von Entscheidungen des Sozialgerichts Freiburg aus 2024
Gesetzliche Krankenversicherung
Kosten für einen Plattformlift sind zu übernehmen (Urteil vom 8. März 2024 - S 15 KR 1736/22, rechtskräftig)
Die 1961 geborene Klägerin leidet an Multipler Sklerose und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Sie beantragte bei der beklagten Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung erfolglos die Übernahme der Kosten für einen Plattformlift zur Überwindung der in ihre Wohnung führende Außentreppe.
Vor dem Sozialgericht Freiburg hatte sie Erfolg. Der Plattformlift ermöglicht der Klägerin eine selbstständige Lebensführung. Hierdurch erfährt sie eine Erleichterung bei der Mobilität im Nahbereich, also bei der Verwirklichung eines allgemeinen Grundbedürfnisses.
Keine Kostenübernahme für Mamma (Brustdrüsen)-Magnetresonanztomographie (MRT) (Urteil vom 7. Juni 2024 - S 5 KR 3267/22, rechtskräftig)
Bei der 1946 geborenen Klägerin trat blutiges Sekret aus der rechten Mamille aus, weswegen eine Röntgen-Mammographie durchgeführt wurde. Diese ergab keinen Tumorverdacht. Als Therapievorschlag attestierte der behandelnde Arzt „Procedere in Abhängigkeit des zytologischen Ergebnisses, ggf. ergänzende Mamma-MRT als Selbstzahlerleistung“. Die Klägerin unterzog sich einer solchen und begehrte von der beklagten Krankenkasse die Kostenübernahme, was diese ablehnte.
Das Sozialgericht Freiburg wies die dagegen gerichtete Klage ab. Ein Anspruch auf Versorgung mit einer Mamma-MRT ist nur in bestimmten, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) konkret spezifizierten Fällen gegeben, die auf den konkreten Sachverhalt nicht übertragbar sind. Es liegt zudem kein so genanntes „Systemversagen“ vor, was in Betracht kommt, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder diesem selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wird und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder eine Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist. Die Klägerin leidet schließlich an keiner lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Gesundheitsstörung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht. Allein nach diesen strengen Kriterien wäre vorliegend ausnahmsweise noch eine Kostenübernahme für die in Anspruch genommene neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode in Betracht gekommen.
Gesetzliche Rentenversicherung
Wohnungsunternehmen muss nach dem Tod des Mieters erbrachte Rentenleistungen erstatten (Urteil vom 13. Februar 2024 - S 6 R 1668/22, rechtskräftig)
Die beklagte Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung zahlte über den Tod des Rentenberechtigten im September 2015 hinaus bis März 2020 Rente auf ein Konto, das dieser geführt hatte. Er war in einer Wohnung gemeldet, die er mit seiner Ehefrau von dem klagenden Wohnungsunternehmen gemietet hatte. Die Miete wurde mittels Lastschrifteinzug abgebucht. Die Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung setzte den Erstattungsbetrag gegenüber dem Wohnungsunternehmen mit annähernd 34.000 € fest.
Das Sozialgericht Freiburg wies die dagegen gerichtete Klage ab. Entscheidend ist, dass das Wohnungsunternehmen den Rentenzahlbetrag aufgrund des Lastschrifteinzuges mittelbar empfangen hat. Auf eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Todes des Rentenberechtigten kommt es nicht an.
Gesetzliche Unfallversicherung
Trotz Mitgliedschaft kann ehrenamtliche Tätigkeit für den Verein unfallversichert sein (Urteil vom 13. Mai 2024 - S 9 U 2686/23, Berufung anhängig beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 9 U 1890/24)
Die 1951 geborene Klägerin war nach eigenen Angaben seit etwa zwanzig Jahren in der Regel einmal wöchentlich, zeitweise auch in einem größeren Umfang, im Verkauf und bei der Dekoration in einem Einzelhandelsgeschäft für Fairen Handel tätig. Dieses wird von einem Verein betrieben, in dem die Klägerin Mitglied ist. Im Juni 2023 verrichtete sie Ladendienst. Beim Aufräumen stürzte sie und erlitt einen Speichenbruch im rechten Handgelenk. Die beklagte Berufsgenossenschaft verneinte einen Arbeitsunfall. Zwar seien auch so genannte „Wie-Beschäftigte“ versichert. Bei Mitgliedern eines Vereins sei dies allerdings nur dann gegeben, wenn eine Arbeitsleistung erbracht werde, die über die allgemeinen Mitgliedspflichten hinausgehe und nicht dem Vereinszweck entspreche. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen.
Das Sozialgericht Freiburg gab ihr demgegenüber Recht. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen beschäftigtengleichen versicherten und nicht versicherten Tätigkeiten für einen Verein ist, ob mit der konkreten Verrichtung im Unfallzeitpunkt eine mitgliedschaftliche Pflicht erfüllt wurde. Die Klägerin als Mitglied des Vereins war nicht zur ehrenamtlichen Verkaufstätigkeit verpflichtet.
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Sind Notarkosten für die Eintragung einer Sicherungshypothek aus dem Bürgergeld zu bestreiten? (Gerichtlicher Vergleich vom 16. Januar 2025 - S 4 AS 2599/24)
Die Klägerin lebt in der Ortenau und ist Miteigentümerin eines bebauten Grundstücks. Sie bezieht von dem beklagten Jobcenter laufend und in Hinblick auf das Immobilienvermögen darlehensweise Bürgergeld. In dem Klageverfahren wurde um Leistungen für die Eintragung einer Sicherungshypothek zugunsten des Jobcenters gestritten. Die Klägerin begehrte in dem Verfahren insoweit die darlehensweise Übernahme von Notarkosten in Höhe von 111,26 €.
Nach einem rechtlichen Hinweis des Vorsitzenden schlossen die Verfahrensbeteiligten einen Vergleichsvertrag. Darin erklärte sich das Jobcenter ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die im Zusammenhang mit der Beurkundung entstandenen Notarkosten vollständig sogar als Zuschuss zu übernehmen.
Sozialhilfe
Kein Anspruch auf Begleitperson im Urlaub für stationär untergebrachte Menschen mit Behinderung (Urteil vom 2. Dezember 2024 - S 9 SO 635/24, Berufung anhängig beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 7 SO 52/25)
Der 1992 geborene Kläger leidet an einem Fehlbildungssyndrom durch eine Chromosomenaberration. Bei ihm sind der Grad der Behinderung mit 100, die Merkzeichen B, G, aG, H und RF sowie der Pflegegrad 5 anerkannt. Er lebt in einer Wohngruppe der besonderen Wohnform und besucht dort den Förder-und Betreuungsbereich. Hierfür gewährt ihm der Sozialhilfeträger Leistungen der Eingliederungshilfe.
Im Februar 2023 beantragte er bei diesem Verwaltungsträger die Übernahme der Kosten für die Betreuung und Pflege während einer einwöchigen Urlaubsreise nach Südfrankreich im Sommer dieses Jahres. Der Sozialhilfeträger lehnte das Begehren ab. Die Leistungen, die an das Wohnheim ausbezahlt würden, beinhalteten auch die zur Verfügung Stellung von Freizeitangeboten. Eine Übernahme von Kosten für solche der Offenen Hilfe der Lebenshilfe zusätzlich zu den Wohnheimkosten könne daher nicht erfolgen.
Das Sozialgericht Freiburg wies die Klage ab. Der Wunsch stationär untergebrachter Menschen mit Behinderungen nach Urlaub außerhalb ihrer üblichen Alltagsörtlichkeit und ihrer regelmäßigen Freizeitgestaltung ist zwar ebenso nachvollziehbar wie bei denjenigen in anderen Wohnformen oder von Personen ohne Behinderung. Er ist in keinem dieser Fälle unangemessen im umgangssprachlichen Sinn. Der Kläger profitiert sicher auch von den durch den Urlaub vermittelten Eindrücken und Erfahrungen. Es wurde indes weder dargelegt noch war es sonst ersichtlich, dass ihm die Inanspruchnahme der durch die stationäre Leistung in der Wohngruppe abgedeckten Freizeitangebote anstelle des selbst gewählten Urlaubs in Südfrankreich unzumutbar gewesen wäre. Die zumutbare Alternative einer Bedarfsdeckung durch einen an Vereinbarungen gebundenen Leistungserbringer schließt die Angemessenheit des hiervon abweichenden Wunsches des Klägers aus.